Bericht vom 2. CHC - Einsatz "Plastische Chirurgie" vom 31.08. - 5.9.2014
Nach dem vielversprechenden ersten Operationseinsatz im Nazareth-Krankenhaus in Riara Ridge im Kiambu District vor den Toren Nairobis fand nun der zweite Einsatz statt.
Er stand wieder im Zeichen der Defektdeckung bei offenen Frakturen bzw. Hautdefekten anderer Ursache, den operativen Behandlung von Verbrennungspatienten sowie der operativen und konservativen Behandlung von Keloiden. Zusätzlich war dieses Mal die operative Deckung von Unterschenkelgeschwüren Schwerpunktthema des “2. CHC - Plastic Surgery Camps“.
Bei der Wundsprechstunde, die wir im Rahmen des letzten Einsatzes im Frühjahr diesen Jahres im Medical Center durchgeführt hatten, waren eine ganze Reihe Patienten mit Unterschenkelgeschwüren aufgefallen. Wir hatten damals ein Verbandswechselregime eingeführt, das die Schwestern offensichtlich gut angenommen haben. Die Geschwüre waren teils Folge des bei Zuckerkranken häufig auftretenden diabetischen Fußes. Andere waren aufgrund bestehender Krampfadern aufgetreten. Die Geschwüre wurden operativ gesäubert und aufgrund des sehr gut vorbereiteten Wundgrundes konnten sie sofort durch Spalthauttransplantate versorgt werden. Ganz hervorragend war dabei, dass der Kollege Dr. Thomas Berger im Vorfeld des Einsatzes im Medical Center war und Wundabstriche entnommen hatte. Die Verzahnung zwischen seinem und meinem Einsatz hat dazu geführt, dass die Gesamtbehandlung dieser Geschwüre in Deutschland nicht besser hätte sein können. Das war richtig toll! Herzlichen Dank dafür, lieber Thomas!
Wie in Deutschland wird auch in Kenia der Erfolg der Defektdeckung vom engen Zusammenspiel zwischen Patient, Krankenhaus und Medical Center abhängen. Nach der Deckung werden die Patienten zunächst eine Woche Bettruhe über sich ergehen lassen müssen, danach erfolgt die schrittweise Mobilisierung der Patienten. Anschließend müssen die Patienten lebenslang elastisch gewickelt werden. Aufbauend auf der Wundsprechstunde vor einem halben Jahr haben wir diese Zusammenhänge mit den Schwestern in der jetzigen Wundsprechstunde im Medical Center erläutert und die Schwestern in der korrekten Durchführung der elastischen Wicklung der Unterschenkel geschult.
Ganz arg haben wir uns gefreut Daniel wiederzusehen. Die Schwenklappenplastik über seinem freiliegenden Schienbein hat dazu geführt, dass der Knochen nun bedeckt ist. Die noch bestehende Knochenmarkvereiterung im Schienbein oberhalb des nun gedeckten Defektes ist im letzten halben Jahr weniger geworden. Der örtliche chirurgische Chefarzt des Nazareth-Krankenhauses, Dr. James, hat uns versichert, dass eine gute Chance besteht, dass auch diese über die Zeit ausheilen wird. In Deutschland wäre das kaum vorstellbar. Aber offensichtlich ist die Infektabwehr, und damit die Heilungsfähigkeit, bei den Patienten in Afrika anders als bei uns. Denn die Erfahrung, dass freiliegende Knochen und auch Knochenmarkvereiterungen in Afrika nach Defektdeckung abheilen können, habe ich schon bei früheren Einsätzen in anderen afrikanischen Ländern gemacht. Möglicherweise spielt hier eine Rolle, dass die extrem hohe Anzahl von Infektionserkrankungen im Kindesalter (mit entsprechend hoher Kindersterblichkeit) zu einer deutlich höheren Infektabwehr führt als bei uns relativ keimarm aufwachsenden Europäern.
Wie auch immer das möglich ist, Daniel ist jedenfalls sehr glücklich (und alle an seiner Behandlung Beteiligten ebenso). Und wenn sich die Dinge weiter so entwickeln wie bisher wird er wohl sein Bein nicht verlieren. Ich hatte ihn am „Screening-Vormittag“ im Nazareth gesehen und er beginnt bereits mit der Teil-Belastung des Beins. Vielleicht wird er beim nächsten Einsatz in einem halben Jahr schon kurze Strecken laufen können. Nach deutschen Maßstäben ist das eigentlich kaum zu glauben.
Ermuntert von diesem Erfolg wurde uns Douglas von Dr. James vorgestellt. Er hatte kurz nach unserem letzten Einsatz Anfang Februar einen Motorradunfall und dabei eine fürchterliche offene Unterschenkelfraktur davon getragen. Dr. James hatte die vielen Bruchstücke osteosynthetisch mit Nagelung und Drahtcerklagen versorgt. Wenn man sich das Röntgenbild ansieht wird es einem Angst und Bange. Der Lokalbefund ist sogar noch schlimmer. Dr. James bat mich es dennoch zu versuchen und so haben wir eine lokale Schwenklappenplastik am betroffenen Unterschenkel zur Deckung der ca. 9 x 3 cm freiliegenden Knochenenden des Schienbeins durchgeführt. Da noch teilweise spitze Knochenenden in den Frakturspalt ragten haben wir diese mit dem Meißel geglättet. Zu unserer Überraschung waren die Knochenenden gut durchblutet. Und das nach einem halben Jahr ohne Gewebebedeckung. Unglaublich.
Was gibt es noch zu berichten?
Bei der letzten Wundsprechstunde im Januar diesen Jahres hatte ich den Schwestern des Medical Centers gezeigt wie man die konservative Therapie von Keloiden mit intralesionalen Triamcinolonacetonid-Injektionen durchführt. Sie haben dies sehr schön gemacht, die konservativ behandelten, aber auch die operierten Keloid-Patienten hatten eine ganz erhebliche Eindämmung ihrer Keloidaktivität gezeigt. Sowohl bei Pauline als auch bei Daniel sind die Keloide im Gesicht wesentlich kleiner geworden. Und das Riesenkeloid von Dominic ist nach der operativen Entfernung mit Defektdeckung durch ein Hauttransplantat nicht mehr wiedergekommen, so dass wir diesmal das Riesenkeloid an der anderen Seite des Halses operieren konnten.
Ganz besonders hat es mich gefreut dass beide am Nazareth-Krankenhaus tätige Chirurgen jeweils an einem der drei Tage mit operiert haben. Dr. Julius, der Dr. James als untergeordneter Facharzt unterstützt, war sehr an den plastisch-chirurgischen Techniken interessiert und hat mir an unserem gemeinsamen OP-Tag gezeigt wie im Nazareth-Krankenhaus mit dem Humbie-Messer Spalthauttransplantate entnommen werden. Der Lernprozess beruht somit auf Gegenseitigkeit. Dr. James und ich haben am nächsten Tag u.a. gemeinsam das Riesenkeloid bei Dominic als auch die Verbrennungskontraktur am Handgelenk von Elizabeth operiert. Beide haben hohes operatives Geschick gezeigt, ich denke die chirurgische Abteilung im Nazareth-Krankenhaus hat ihren guten Ruf völlig zu Recht.
Für mich selbst ist die Weitergabe der notwendigen Operationstechniken an die beiden Kollegen das Wunschziel der „Plastic Surgery Camps“. Insofern bin ich selbst gespannt, ob es gelingen wird den Respekt der Kollegen vor diesen Operationen abzubauen und eine operative Versorgung der Defektwunden im Nazareth unabhängig von meiner Person einzuführen. Der Plan ist jetzt mit einfachen Schwenklappen zu beginnen und dann nach und nach die komplizierteren Dinge anzugehen.
Mein herzlicher Dank gilt zunächst allen Spendern von Cargo Human Care. Hervorheben möchte ich dabei den Lions Club Nieder-Olm, den Verein ProInterplast aus Seligenstadt sowie der Familie Seegräber aus Wiesbaden, die mein Engagement im Rahmen von Cargo Human Care großzügig unterstützen. Aber auch nicht zuletzt all den fleißigen Händen im Hintergrund des Vereins möchte ich danken, die es uns Teams so unendlich viel leichter machen die Einsätze in Nairobi durchzuführen. Ganz besonders möchte ich den Vorstandsmitgliedern danken, die sich dafür eingesetzt haben, das Thema „Plastische Chirurgie“ in das Gesamtkonzept der Patientenversorgung durch Cargo Human Care zu integrieren.
Ganz herzlichen Dank der Firma Hartmann, die uns „Einmalinstrumente“ zur Verfügung gestellt hat mit denen wir und wahrscheinlich noch viele Kollegen nach uns im Nazareth-Krankenhaus sehr gut operieren konnten. Abschließend gilt mein besonders herzlicher Dank meiner Frau Jennifer, die mich als Operationsschwester, wie auch schon bei anderen Einsätzen in Afrika, begleitet hat und dafür gesorgt hat, dass ich mich komplett auf das Teaching und die Durchführung der Operationen konzentrieren konnte.
In diesem Sinne:
Ein herzliches „Asante sana“ (Danke schön) an alle die ich genannt, und auch an die, die ich vielleicht vergessen habe!
Dietmar Scholz, Wiesbaden